Gründonnerstag

Am heutigen Gründonnerstag hätten wir normalerweise einen Gottesdienst mit Abendmahl in der Petrikirche gefeiert. Da dies nun nicht möglich ist, lädt Herr Pastor i.R. Hans Joachim Schliep uns zu einer Andacht zuhause ein. Es wird nicht nur um Jesu letztes Mahl gehen, sondern auch um Dietrich Bonhoeffer, dessen 75. Todestag sich heute jährt.

Glockenläuten

Lassen Sie zu Beginn dieser Andacht die Glocken der Petrikirche für sich läuten.

Glockenläuten

Johann Sebastian Bach: Christus, der uns selig macht (BWV 620)

Unser Kantor Dietmar Zeretzke spielt für uns eine Choralbearbeitung zu "Christus, der uns selig macht" aus dem "Orgelbüchlein" von Johann Sebastian Bach an der Orgel der Petrikirche.

Johann Sebastian Bach: Christus, der uns selig macht

Begrüßung

Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

Lied: EG 65 Von guten Mächten

1. Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

2. Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.

3. Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

4. Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken
und dann gehört dir unser Leben ganz.

5. Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

6. Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.

7. Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Text: Dietrich Bonhoeffer (1944) 1945/1951
Melodie und Satz: Otto Abel 1959

Bild: Original-Autograph des Gedichts (gemeinfrei, Wikimedia Commons)

Gedanken zum Gründonnerstag

Heute, Gründonnerstag, gedenken wir des ersten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern: „Mein Leib - für dich gegeben“.

Heute vor 75 Jahren, am 9. April 1945, wurde Dietrich Bonhoeffer (*1906), Pastor der Bekennenden Kirche und Mitglied der Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944, mit einigen anderen Widerstandskämpfern erhängt. Auf persönlichen Befehl Hitlers. Im KZ Flossenbürg. In den frühen Morgenstunden eines Montags. Wenige Wochen vor Kriegsende…

Ohne Dietrich Bonhoeffer wäre ich kein Christ. Von meinem ersten Lehrlingslohn (75 DM/knapp 40 €) habe ich mir im April 1961 seine Briefe aus der Haft „Widerstand und Ergebung“ gekauft. Ein beschädigtes Exemplar der Erstausgabe von 1951 für nur 4 DM. Ohne zu wissen, was ich tat. Ohne zu wissen: Bonhoeffer zeigt mir, wie es auch im 20. Jahrhundert - mit Völkermorden, zwei Weltkriegen, erzwungenen Migrationen von Millionen, den Massenvernichtungen durch Hitler und Stalin, Nationalismus und Faschismus - möglich ist, Christ zu sein.

Dazu beispielhaft drei Gedanken Bonhoeffers:

1. »Die Kirche ist Christus als Gemeinde existierend.« Also hat der Glaube eine soziale Gestalt. Frömmigkeit und Einsatz für Menschenwürde sind zwei Seiten einer Medaille. »Nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen« - so weit muss, wenn die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, politisches Handeln der Kirche gehen. Das Heil ist Geschenk Gottes. Doch es gibt keine »billige Gnade«. Wessen Seelennot geheilt ist, kümmert sich um das Leibeswohl anderer.

2. Jesus, auf den sich die Kirche als Christus (Retter, Heiland) beruft, war Jude. Deshalb: »Eine Verstoßung der Juden aus dem Abendland muss die Verstoßung Christi nach sich ziehen. . . . Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen.« Antisemitismus ist also Gotteslästerung. Ein besonders wichtiges Beispiel für Kirche als »Kirche für andere«. Das ist Kirche. Oder sie verrät Jesus Christus. Um dieses Friedensstifters willen (Bergpredigt), hat die Kirche einzutreten für ökumenische Verständigung, für internationale Kooperation, für Frieden ohne Gewaltmittel (was als ultissima ratio Waffengebrauch zur Wiederherstellung von Recht nicht in jedem Fall ausschließt).

3. Das Christentum hat mit dazu beigetragen, dass die Welt mündig ist. Allemal Christ*innen sind mündige Menschen, beauftragt und befähigt zur Verantwortung, zu der Übernahme von Schuld und Inanspruchnahme von Vergebung gehört. Doch seit der Aufklärung (Kant; dann Neuansätze bei Fichte, Hegel, Schelling, Schleiermacher) sind alle Menschen mündige Bürger*innen, die selbstbestimmt leben (sollen). Bis hin zum Abschied vom Glauben, von religiösen Praktiken, von staatlich gestütztem Christentum. Wie kann ich Christus verkündigen in einer »religionslos gewordenen Welt«? Wie können wir, die wir Gott verloren, vergessen haben, nicht einmal vermissen, dennoch vor und mit Gott leben? »Einen Gott, den es gibt (z. B. wie den Bodensee), gibt es nicht.«

Dietrich Bonhoeffer, weder Held noch Heiliger, denkt Allmacht und Ohnmacht zusammen: In der liebenden Hingabe Jesu am Kreuz ist Gottes Macht in tiefstem Schmerz und Leiden, ja im Tod wirksam: als Sein bei diesem, bei den beschädigten, beschuldigten, hinfälligen Menschen. Darum ist Trost, darum Hoffnung. Darum sagt Bonhoeffer Minuten vor seinem gewaltsamen Tod: »Das ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.« Darum kann und soll allem Lebensverneinenden, Lebensfeindlichen statt des Nackens mutig und kraftvoll die Stirn geboten werden. Darum »kann und will Gott aus dem Bösesten Gutes entstehen lassen«. Hat doch Jesus Christus das Böse erlitten, ausgehalten, getragen - und ihm damit den Stachel gezogen, die Menschheit auf ewig zu vergiften!

Bonhoeffer bekennt:       

»Ich  glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. - Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage  so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber  er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. - Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Schicksal ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.« (zitiert nach Ev. Gottesdienstbuch, S. 540)

Dieser schier unglaubliche, doch kraft Gottes Selbsthingabe am Kreuz auf Golgatha umso glaubwürdigere Glaube lässt unsere Hoffnung das notwendige Quentchen stärker sein als unsere Furcht. So werden wir die akute virale Infektionsgefahr mit Vernunft, Besonnenheit, gegenseitiger Rücksichtnahme und dem Blick für die Not der nahen und fernen Nächsten bestehen und abwenden. Mit »aufrichtigen Gebeten und verantwortlichen Taten« stehen wir bei Gott in seinem Leiden für uns.

Amen.

Foto: gemeinfrei, Wikimedia Commons

Meditation

Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, Christen und Heiden.

Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,
sehn ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in Seinen Leiden.

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
und vergibt ihnen beiden.

Dietrich Bonhoeffer,
zitiert nach Wolfgang Huber: Dietrich Bonhoeffer – Auf dem Weg zur Freiheit, München 2019, S. 251

Lied: EG 223 Das Wort geht von dem Vater aus

1. Das Wort geht von dem Vater aus
und bleibt doch ewiglich zu Haus,
geht zu der Welten Abendzeit,
das Werk zu tun, das uns befreit.

2. Da von dem eignen Jünger gar
der Herr zum Tod verraten war,
gab er als neues Testament
den Seinen sich im Sakrament,

3. gab zwiefach sich in Wein und Brot;
sein Fleisch und Blut, getrennt im Tod,
macht durch des Mahles doppelt Teil
den ganzen Menschen satt und heil.

6. Dir, Herr, der drei in Einigkeit,
sei ewig alle Herrlichkeit.
Führ uns nach Haus mit starker Hand
zum Leben in das Vaterland.

Text: Otto Riethmüller 1932/1934 nach dem Hymnus »Verbum supernum prodiens« des Thomas von Aquin 1264
Melodie: Wir danken dir, Herr Jesu Christ (Nr. 79)

Abendmahl

An dieser Stelle würden wir im Gottesdienst normalerweise das Abendmahl feiern, im Gedenken an das letzte Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat.

Abendmahl "online" ist leider nicht möglich. Aber wenn Sie mögen, lesen Sie für sich die Worte, mit denen Jesus das Abendmahl eingesetzt hat. Und seien Sie gewiss, dass Gottes Heil für Sie gilt, auch wenn wir das Abendmahl heute nicht an seinem Tisch miteinander feiern können.

Unser Herr Jesus Christus,
in der Nacht, da er verraten ward,
nahm er das Brot,
dankte und brach’s
und gab’s den Jüngern und sprach:
Nehmet hin und esset:
Das ist mein Leib,
der für euch gegeben wird;
solches tut zu meinem Gedächtnis.


©Friedrich Haun, www.gemeindebrief.de

Desgleichen nahm er auch den Kelch
nach dem Mahl,
dankte, gab ihnen den und sprach:
Nehmet hin und trinket alle daraus:
Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut,
das für euch vergossen wird,
zur Vergebung der Sünden;
solches tut, sooft ihr’s trinket,
zu meinem Gedächtnis.


©Friedrich Haun, www.gemeindebrief.de

Vater unser

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigem.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Segen

Bleiben Sie behütet!
Bleiben Sie bewahrt an Leib und Seele!
Der Segen Gottes lege sich auf uns
und bleibe bei uns bis ans Ende unserer Tage
und darüber hinaus!

Amen.